ARNSTEIN (nic) Eigentlich hätte man aufstehen und spontan applaudieren müssen! Mit ihrer mitreißenden Festpredigt zum Patrozinium der Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Sondheim (Maria zum Rosenkranz) traf Barbara Dill aus Dettelbach am vergangenen Sonntag genau den Nerv der Zeit.
Die engagierte Gottesdienstleiterin ist Mitglied im Frauenbund Dettelbach sowie Unterstützerin von „Maria 2.0“ und prangerte in ihrer Predigt die Rolle der Frau in der katholischen Kirche an. „Weshalb ignoriert die Katholische Kirche über die Hälfte ihrer Mitglieder und gewährt ihnen keinen Zugang zu kirchlichen Ämtern?“, fragte sich die Gastrednerin. Wenn auch der spontane, mehr als verdient gewesene Beifall während des Gottesdienstes ausblieb, so gab es für sie im Anschluss umso größeres Lob und viele „Daumen hoch“ - nicht nur von weiblicher Seite.
Große Rolle im Leben Jesu
Im Mittelpunkt der Festpredigt stand in Anlehnung an das Rosenkranzfest Maria, die Mutter Jesu. Barbara Dill rief den Zuhörern das Bild der Sixtinischen Madonna in Dresden von Maler Raffael ins Gedächtnis und zitierte den Dichter Novalis, auf den der Anblick des Marienbildes einen außergewöhnlichen Eindruck gemacht haben musste. „Welche Bilder steigen heute in uns auf, wenn wir an Maria denken?“ Maria erfahre eine Verehrung auf der Welt wie keine andere Frau, ja nicht einmal eine der begehrtesten Filmschönheiten, so die Festpredigerin. Doch eine so wichtige, bedeutende und mächtige Frau werde einfach verschwiegen. Maria komme in der Bibel nicht oft vor, obwohl sie doch einen herausragenden Platz einnehmen müsste. Im Neuen Testament erscheine sie nur in den Evangelien der Apostelgeschichte sowie als Randfigur. Dabei hätten viele Frauen in der Jesus-Bewegung eine wichtige Rolle gespielt, obwohl diese Bewegung aus einem von Männern dominierten Kulturkreis stamme.
Verkrustete Machtstrukturen
Woran liegt es, dass Frauen in der Kirche keine geweihten Ämter und Leitungsfunktionen bekleiden dürfen? Barbara Dill sieht einen Grund darin, dass Frauen in den vatikanischen Kongregationen und der päpstlichen Kurie keine Lobby hätten. Zum anderen gehe es um Macht und deren verkrustete, Jahrhunderte alte Strukturen. „Wer gibt schon gerne Macht ab, wenn er diese innehat?“ Man müsse sich fragen, ob es die Männlichkeit Jesu sei, die für unseren Glauben entscheidend ist oder vielmehr das Menschsein?
Vom Lesekreis zu „Maria 2.0“
Aufgrund dieser Fragestellungen und durch die Vertuschung der Missbrauchsvorfälle hätten sich Frauen in der Bewegung „Maria schweige nicht“ organisiert und ihre Rechte eingefordert. Heute heißt diese Bewegung „Maria 2.0“. Angefangen mit einem Lesekreis von Frauen in Münster, die sich mit der aktuellen Situation der Kirche beschäftigt hätten, würden seit Jahren immer die gleichen Fragen diskutiert. Wie schwierig es manchmal sei, Menschen, die fern der Kirche stünden, zu erklären, warum man überhaupt noch dabei sei? Oder der Umgang der Amtsinhaber mit den Tätern und Opfern. „Und trotz der beteuerten Reformbereitschaft ändert sich nichts an den Machtstrukturen innerhalb der Kirche.“
Eine Kirche ohne Frauen?
Barbara Dill bat die Anwesenden sich eine Kirche vorzustellen, in der Frauen keine Dienste übernehmen würden. „70% der Arbeit in der Kirche wird von Frauen - aus Liebe getan! Ohne Bezahlung!“ Sei es der Kirchenputzdienst, der Blumenschmuck, die Lektorin, Krankenhelferin, die Arbeit in Kirchenverwaltungen und Pfarrgemeinderäten, die Dienste als Messnerinnen oder bei Pfarrfesten und kirchlichen Feiern.
Kirchenaustritt keine Option
Für die Frauen, die in der Bewegung „Maria 2.0“ arbeiten, sei ein stillschweigender Austritt aber keine Option. „Wir lieben unsere Kirche. Wir lieben unseren Glauben. Wir wollen für unsere Kinder und Enkelkinder etwas erreichen. Wir wollen es möglich machen, dass auch die nachfolgenden Generationen Freude und Gemeinschaften in dieser, unserer Kirche erleben.“ Die Frauen könnten die Kirche nur selbst ändern. Man dürfe nicht abwarten, dass diese Veränderung von den Amtsträgern ausgehe. „Maria 2.0“ stehe für diese Veränderung, jedoch nicht für Ausgrenzung, wie Barbara Dill betonte. Und weil die Frauen die Kirche und den Glauben so lieben würden, fordere man eine geschwisterliche Kirche. Eine Kirche, die nicht getrennt sei nach Mann oder Frau, Jung oder Alt, Weiß oder Schwarz. Die Kirche sei eine Moralinstanz und man müsse sich erneuern, damit sie von den Menschen auch wieder als solche wahrgenommen und angenommen werde. „Wir Getauften müssen zusammenstehen - nicht die Amtsträger!“
Viel Zustimmung für Festpredigt
Gerne hätten die Gläubigen noch länger der ausdrucksstarken Rednerin zugehört, waren doch der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit in der Kirche, der unermüdliche Wille nach Veränderung, aber auch die große Liebe zum Glauben und zur kirchlichen Gemeinschaft in jeder Zeile spürbar. Vielleicht gibt es dank solch engagierter Frauen dann auch bald eine Antwort auf die Frage, weshalb die Katholische Kirche über die Hälfte ihrer Mitglieder ignoriert und ihnen keinen Zugang zu kirchlichen Ämtern gewährt.